Schneller, als die Zeit erlaubt. Das ICH im Konflikt.
Wir leben in einem linearen Zeitverständnis. D.h. wir sind geprägt von der Vorstellung, dass die Zeit immer weiter geradeaus läuft und nicht wiederkehrt. Gleichzeitig aber sind wir bestimmt von den zyklischen, körperlichen und seelischen Abläufen, die die Natur uns vorgibt; also beispielsweise vom Schlaf-wach-Rhythmus oder den physiologischen Prozessen des Stoffwechsels. Sie beginnen immer wieder von vorn, sind demnach zyklischer Natur. Nun entsteht ein Konflikt, wenn wir fast nur noch nach dem linearen Zeitverständnis leben und auf die natürlichen Abläufe, auf unsere sog. Eigenzeit zu wenig achten. Dadurch geraten wir in einen Zustand, den die Psychologie Desynchronisierung nennt. Dieser geht mit einem Gefühl der persönlichen Entfremdung einher. Man ist sich selbst immer schon voraus und kommt nie so richtig in der Gegenwart an. Auf längere Sicht können sich somit unsere persönlichen Ressourcen durch diesen Konflikt erschöpfen.
Die lineare Zeit kennt nur eine Richtung, die nach vorne.
Oftmals gibt es in unseren Bestrebungen kein Ziel, an dem man zur Ruhe kommt. Auch die sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozesse werden immer mehr beschleunigt.
Man will heute mehr vom Leben haben als früher, schneller erleben und mehr genießen können. So befinden Menschen sich permanent in einem Wettlauf mit der Zeit. Selbst in unserer Freizeit. Denn diese ist ebenfalls häufig aus einer Abfolge von immer mehr Erlebnissen pro Zeiteinheit bestimmt, ohne dass wir verweilen, um sie zu verarbeiten und der Körper sich regenerieren kann.
Negative Auswirkungen auf Beziehungen
Jedem ist heute schon längst bewußt, dass unsere Beziehungen zu Partnern, Freunden und Bekannten wie ein Grundnahrungsmittel sind, das wir immer wieder benötigen. Miteinander wirklich echte Zeit zu verbringen, gelingt jedoch nicht unter dem Diktat der Uhrzeit.Ganz da sein, wirklich ankommen und gegenwärtig ein, fällt vielen häufig schwer. Die eigentliche Gegenwart ist die Gegenwart des anderen. Beziehungen lassen sich stets intensivieren und vertiefen, aber nicht beschleunigen. Man muss sich für sie Zeit nehmen und diese Zeit miteinander wirklich teilen. Wenn das über längere Zeit vernachlässigt wird, verlieren wir diesen wichtigen Anker.
Kann man sich dem linearen Diktat ein Stück weit entziehen?
Wichtig ist, die Dynamik des beschriebenen Konflikts frühzeitig zu erkennen, bevor er uns gefährlich wird. Ein erstes Anziehen dafür kann das Gefühl sein, dass ständig etwas ansteht, immer noch etwas zu tun ist und man niemals fertig wird. Dann ist man bereits im linearen Zeitmodus und fängt an, das zu vernachlässigen, was die Psychologie Leiblichkeit nennt: sich erholen, regelmäßig schlafen, in Ruhe essen, Zeit für andere und sich selbst haben. Diese Lebensbedürfnisse brauchen heute bewusste Aufmerksamkeit. Es reicht nicht, sie nur als Mittel zum Zweck zu sehen. Vielleicht kommt man auch um den Verzicht nicht herum, ein berufliches Projekt aufzugeben, das die eigenen Kräfte übersteigt oder auch statt zu vieler Freizeittermine ein wirklich freies Wochenende einzulegen.
Der nächste Schritt wäre Selbstreflexion des eigenen Lebensentwurfs, indem man sich einige grundsätzliche Fragen stellt: Wie stelle ich mir mein Leben vor? Ist es das, was ich erwarte bereits da? Oder laufe ich nur äußeren Notwendigkeiten hinterher? Wenn du Unterstützung beim Finden deiner Antworten benötigst, dann helfen dir unsere Coaches als Sparringpartner auf Augenhöhe im Hier und Jetzt gern dabei. Kontaktiere uns für eine Terminvereinbarung.
Quelle: im Interview mit Thomas Fuchs in Psychologie Heute 10/19