Die Stärke der Stillen
Stille zweifeln oft, ob mit ihnen etwas nicht stimmt!
Es geht laut zu in unserer Gesellschaft. Im Kampf um Aufmerksamkeit versuchen viele, durch offensives Selbstmarketing aus der Masse herauszustechen. Extravertierte und selbstbewusste Menschen sind hier eindeutig im Vorteil. Die Lauten werden als kompetenter, interessanter & klüger wahrgenommen als die Leisen.
Wen wundert es da, dass all jene, die eher leise daherkommen, sich bislang nicht offen und selbstbewusst zu Ihrer Persönlichkeit bekennen wollen. Doch die Gruppe der Introvertierten ist weder klein - schätzungsweise 30 bis 50 Prozent der Bevölkerung gehören dazu - noch hat sie Grund zum Versteckspiel. Sie haben andere wertvolle Stärken. Introvertierte punkten im Beruf und in privaten Beziehungen unter anderem mit Sorgfalt, Substanz und Einfühlungsvermögen.
Haben zurückhaltende Menschen bislang ihre Eigenschaften als Defizit betrachtet, können sie diese nun voller Selbstbewusstsein als wichtige Ressource begreifen.
Die Entdeckung der Langsamkeit
Als Persönlichkeitsmerkmal der Big-Five-Skala, die unsere fünf wichtigsten Charaktereigenschaften misst, ist Introversion wie alle anderen dort gemessenen Eigenschaften (Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus, Offenheit für Neues, Verträglichkeit) zu mindestens 50 Prozent genetisch festgelegt. Damit ist Temperament schwer veränderbar. Es ist also nicht sinnvoll, sich selbst zu einem Vielredner umerziehen zu wollen oder zur Geselligkeit zu ermahnen.
Studien zeigen, dass Introvertierte intensiver denken, mehr Informationen einbeziehen und dass ihre Denkprozesse längere Schleifen im Gehirn ziehen. Extravertierte denken dagegen knapper und schneller. So können stille Menschen auf Fragen anderer oft nicht sofort antworten. Diese Langsamkeit hat nichts mit mangelnder Intelligenz oder Zerstreutheit zu tun. Sie spricht eher für eine hohe Qualität und Substanz von Gedanken und Überlegungen.
Erfolgreich durch Vorsicht
Mittlerweile ist klar, dass es neben der Tiefe und Qualität von Gedanken noch eine ganze Reihe von Stärken gibt, die bei Introvertierten besonders ausgeprägt sind: Vorsicht, analytisches Denken, Konzentration und Beharrlichkeit.
Ein introvertierter Verkäufer hört zu, welche Bedenken die Kunden haben und er kann darauf wahrscheinlich auch Antwort geben - weil er sich selbst bereits ähnliche Gedanken gemacht hat. So entstehe eine hohe Glaubwürdigkeit für das Produkt und im Kontakt fühle sich das Gegenüber verstanden.
Bei Extravertierten ist der nach außen gerichtete Sympathikus aktiver, sie fühlen sich wohl, wenn dieser durch den Neurotransmitter Dopamin „angeknipst“ wird. Und der wird immer ausgeschüttet, wenn wir Abenteuer erleben, es laut und wuselig zugeht. Für Extravertierte also genau das Richtige. Introvertierte dagegen sind im Gleichgewicht, wenn der nach innen gerichtete Parasympathikus aktiv ist und der Neurotransmitter Acetylcholin ausreichend vorhanden ist - der nur in Ruhesituationen ausgeschüttet wird. Auf Dopamin reagieren die Hirne der Introvertierten dagegen sehr sensibel: Wird es in trübseligen Situationen ausgeschüttet, fühlen stille Zeitgenossen sich sofort müde, überreizt, überfordert.
Menschen die eher introvertiert sind, richten sich nach innen, um Energie zu gewinnen. Extravertierte wenden sich dagegen nach außen, wenn sie Energie gewinnen wollen.
Auch wenn unser Lebenstempo heute noch höher ist, gibt es mittlerweile einen Gegentrend, eine Art Entdeckung der Langsamkeit und der Stille. Wir merken deutlicher, dass es beides geben muss: Geselligkeit und nachdenkliche Innenschau. Trubel und Ruhe.
Und wer im Hinblick auf das Thema seine innere Mitte noch nicht gefunden hat, der meldet sich gern bei uns für eine Einzel-Coaching-Session, um die eigenen Stärken gezielt in den Fokus zu nehmen.